Das Chirotherium-Rätsel

Die geheimnisvollen Spuren des Handtieres

Die Entdeckung der Chirotherienfährten und ihre wissenschaftlichen Deutungen sind eines der spannendsten Kapitel in der Geschichte der Paläontologie, spiegeln sie doch sehr gut wider, wie kontrovers Interpretationen fossiler Überlieferungen sein können.

Die Entdeckung der Fährten und erste Deutungen

Die Geschichte der Palichnologie (der Lehre der fossilen Fährten) nahm ihren Anfang mit einem Fährtenfund, der 1802 im Tal des Connecticut River, Massachusetts, gemacht wurde. Der Fund – es handelte sich um fossile Spuren eines Dinosauriers aus der Oberen Trias – stieß in der jungen paläontologischen Wissenschaft sofort auf lebhaftes Interesse, war aber auch heftig umstritten.

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Abbildung aus Sicklers Sendschreiben

Bei den dreizehigen Abdrücken schien es sich um Spuren von Vögeln zu handeln (Ornithichnites Hitchcock 1836), möglicherweise gar um Spuren von Noahs Raben, der als Kundschafter nach der Sintflut nach Land suchen sollte, wie von religiös beeinflusster Seite gemutmaßt wurde.

In diese Zeit erster Interpretationsversuche dreizehiger Saurierfährten fielen nun auch nicht minder verwirrende Entdeckungen fünfzehiger Fährten in Südthüringen.

1834 berichtet der Gymnasialdirektor SICKLER in einem „Sendschreiben an Sr. Hochwohlgeborenen den Königl. Grossbrit. Hanöver. geheimen Hofrath und Ritter J.F. BLUMENBACH … über die höchst merkwürdigen, vor einigen Monaten erst entdeckten Reliefs urweltlicher, grosser und unbekannter Thiere in den Heßberger Sandsteinbrüchen bei der Stadt Hildburghausen.“ Sickler hatte vorher die ersten Fährten auf Sandsteinen, die er zum Bau eines Gartenhauses verwenden wollte, entdeckt.

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Rekonstruktion nach LYELL, 1855

Karl BARTH, der „alte Freund und Kupferstecher“ des Dichters Friedrich Rückert, zeigte großes Interesse an den Fährten und schickte einige Fährtenplatten an KAUP, der die Fährten zu Ehren BARTHS als „Chirotherium Barthi“ beschrieb.

Die geheimnisvollen Spuren des Handtieres im Buntsandstein der Unteren Trias fanden alsbald den Weg in die namhaftesten Museen Deutschlands und Europas (z.B. Berlin, Tübingen, Paris, Stockholm, Straßburg, Wien).

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„Mastodonsaurus“ aus „Schuberts Naturgeschichte“ (1886)

Bereits 1835 wurden neun wissenschaftliche Arbeiten mit Interpretationsversuchen über Art und Gestalt der Fährtenverursacher veröffentlicht: So sah VOIGT in den Fährten die Spuren eines riesigen Affen, den er Palaeopithecus nannte. KAUP und v. HUMBOLDT interpretierten sie als Spuren von Beuteltieren.

Eine große Fährte, bei der der daumenartig abstehende Zehenabdruck des fünften Fingers nicht erhalten war, wurde als Fährte eines Bären, „vielleicht gar des berühmten Ursus spelaeus selbst“ gedeutet. Richard OWEN, einer der Pioniere der Paläontologie und doch erklärter Gegner der Evolutionstheorie, ordnete die Verursacher der Spuren 1841 Labyrinthodonten, einer Unterklasse der Amphibien, zu.

LYELL fertigte 1855 ein erstes Phantombild des vermeintlichen Fährtenverursachers „Labyrinthodon pachygnatus“ an. Die Anschauung eines riesigen Amphibiums als Verursacher der Fährten hielt sich denn auch hartnäckig bis ins erste Viertel dieses Jahrhunderts. Wissenschaftler, die die Chirotherienfährten von Reptilien (WILLIAMSON 1867) oder Dinosauriern (GAUDRY 1890, CORTET 1892) verursacht sahen, konnten sich nicht durchsetzen.

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Das Chirotherium SOERGELS, 1925

Die Bearbeitung der Spuren durch SOERGEL

Die größten Irritationen bei der Interpretation der Chirotherienfährten entstanden wohl dadurch, daß die Trittsiegel einer menschlichen Hand ähnlich sahen. SOERGEL veröffentlichte 1925 mit seiner berühmten palaeobiologischen Studie „Die Fährten der Chirotheria“ eine erste moderne Abhandlung zur Chirotherium-Problematik.

Bei dem vermeintlichen Daumen handelt es sich, wie Soergel nachweist, um den fünften Finger des Handtieres, entsprechend unserem kleinen Finger. Einige Fährten zeigen deutlich Abdrücke starker Krallen, die SOERGEL Amphibien als Verursacher ausschließen ließ und die zudem auf ein fleischfressendes Tier hinwiesen. Aus der Tatsache, daß der Chirotheriensandstein trotz zahlreicher Fährtenfunde keinerlei Knochenreste eines Chirotheriums , versteinert, oder auch nur als Hohlform, lieferte, schloss SOERGEL, daß der feucht-tonige Ablagerungsbereich der Fährten nicht mit dem Hauptlebensbereich der Tiere zusammenfiel. Ja, die Chirotherien schienen die „Fährtenbereiche“ sogar gemieden zu haben, da keine Abdrücke von Jungtieren bekannt und die Tonböden stets in ununterbrochenem Lauf überquert worden seien. Die Chirotherien, so SOERGEL, müssen daher vornehmlich im Abtragungsgebiet der damaligen Zeit gelebt haben. Mit zunehmender Ausdehnung der Trockengebiete im Ablagerungsbereich zur Zeit des oberen mittleren Buntsandsteins (Chirotheriensandstein) sei auch das Verbreitungsgebiet der Chirotherien gewachsen.

Die Interpretation des Lebensraumes durch SOERGEL gründet allerdings noch auf einer Anschauung, die den Buntsandstein als reine Wüstenbildung sah. Seit den 1970 er Jahren hat sich indes die Meinung durchgesetzt, dass die Gesteine des Buntsandsteins, zumindest von der Nordhausen- bis zur Solling-Folge, auf im wesentlichen aquatische Bildungsumstände zurückzuführen sind. Darauf weisen Gerölle, Grobsandlagen, Art der Schichtung, Wellenfurchen, Tongerölle usw. hin. Große, wohl oft nur temporäre Flußsysteme schwemmten die Verwitterungsmassen aus den Abtragungsgebieten in die Becken, wo das Wasser im trocken-warmen, semiariden bis ariden Klima verdunstete. Gegen Ende der Solling-Folge kam es zu verstärkten Niederschlägen, wodurch die Eindrücke der Fußspuren von Reptilien, wie die Chirotherienfährten erhalten blieben.

Die Ahnen der Dinosaurier

Eine genaue Untersuchung der aus den Fährten ableitbaren morphologischen Merkmale veranlaßte SOERGEL schließlich zu einer Zuordnung der Chirotherien zu den Pseudosuchiern, einer Unterordnung der Thecodontia, die entwicklungsgeschichtlich eine sehr bedeutsame Rolle als Ahnengruppe der Dinosaurier und damit der Vögel, spielen. Weiterhin gelten sie als Ahnen der Flugsaurier und Krokodilier.

Dreißig Jahre nach SOERGEL revidierte HAUBOLD (1967,1971,1984) im Rahmen seiner umfassenden Untersuchungen über fossile Saurierfährten die Chirotherienfährten und unterschied 24 Arten im Buntsandstein. Er sieht in den Chirotherien eine frühe Virenzphase der Archosaurier. Für die evolutive Nähe zu den Dinosauriern sprechen weiterhin folgende Merkmale:

1. Die Chirotherien waren zwar quadrupede (auf allen vieren laufende) Tiere, zeigten jedoch bereits Anzeichen für bipeden (zweibeinigen) Gang mit aufrechter Körperhaltung. Anhand der Trittsiegel lässt sich erkennen, daß die Hinterfüße plantigrad waren – alle Zehen berührten den Boden und erzeugten als Abdruck die typische „Hand“. Die Vorderfüße allerdings waren schon digitigrad, d.h. es setzten nur die Zehenspitzen auf.

2. Damit einhergehend läßt sich ein Trend zur Dreizehigkeit (Tridactylie) erkennen, wie er typisch für alle Raubdinosaurier ist. Der während der Trias verlaufende Prozeß lässt sich auf eindrucksvolle Weise veranschaulichen: Legen Sie Ihre Hand flach auf den Tisch und rollen Sie die Handfläche über die Finger nach vorne ab, wobei Sie das Handgelenk hochziehen. Was geschieht? Daumen und kleiner Finger verlieren als erste den Kontakt zur Tischfläche. Dieser kleine Versuch ist eine Kurzfassung dessen, was während der Trias mit den Füßen einiger Archosaurier geschah.

3. Die Chirotherien zeigen einen schnürenden Gang. Das bedeutet, dass die Fährtenverursacher ihre Gliedmaßen schon wie die Dinosaurier oder die Säugetiere unterhalb des Körpers stellen konnten. Es kann also keine Rede mehr sein von schwerfällig dahinkriechenden Reptilien.

In all diese Erkenntnisse, die aus den versteinerten Fährten abgeleitet werden konnten, fügte sich auch ein Fund aus der mittleren Trias des Monte San Giorgio am Luganer See (Tessin) ein, der Mitte der 1960er Jahre von dem französischen Paläontologen BERNHARD KREBS beschrieben wurde: Es handelt sich um den Archosaurier Ticinosuchus ferox, einen behenden Räuber, der heute allgemein als ein möglicher Erzeuger von Chirotherienfährten angesehen wird. Der Fund führte ein weiteres Mal zu einer Revision der Chirotherien-Morphologie: Der immer noch etwas schwerfällig wirkende Pseudosuchier SOERGELS wandelte sich zu einem rauisuchidem Archosaurier, einem behenden, leichtfüßigen Räuber, wie er inzwischen in zahlreichen Rekonstruktionen (z.B. in Hildburghausen 2004) dargestellt ist.

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Chirotherium- Monument in Hildburghausen

Um die Erforschung der Chirotherienfährten, wie auch als Entdecker spektakulärer Dinosaurierfunde aus der Oberen Trias, hat sich in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts auch ein leidenschaftlicher Fossiliensammler und Naturforscher verdient gemacht: Dr. med u. Dr. rer. nat. h c. Hugo RÜHLE V. LILIENSTERN.

Der im südthüringischen Schloß Bedheim im gleichnamigen Ort nahe Hildburghausen ansässige Landarzt galt in den dreißiger und vierziger Jahren als einer der bedeutendsten wissenschaftlich orientierten Sammler in Deutschland. Zahlreiche seiner Funde wurden nach ihm benannt oder von ihm beschrieben. Neben einer umfangreichen Sammlung von Pflanzen des Lettenkeupers und Schilfsandsteins, gelangen ihm zwischen 1932 und 1934 aufsehenerregende Funde früher Dinosaurier (Plateosaurus pliengeri HUENE und Liliensternus (Halticosaurus) liliensterni HUENE).

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mehr über Hugo Rühle von Lilienstern

Im Mai 1933 entdeckte Rühle in Hildburghausen beim Bau der Badeanstalt einen Fährtenhorizont im Chirotheriensandstein . Es gelang ihm, eine 14m² große Platte zu bergen, die ca. 200 Einzeleindrücke, v. a. von Chirotherien, enthielt.

Gestützt auf weitere Funde entwickelte Rühle daraufhin die palichnologische Studie „Fährten und Spuren im Chirotheriumsandstein von Südthüringen“, die 1939 erschien. HUENE nannte die Arbeit „einen Markstein in der Fährtenkunde“.

Für die Dinosaurier – und Fährtenfunde richtete Rühle 1934 in einem Nebengebäude des Schlosses das „Paläontologische Heimatmuseum“, den sog. „Saurierstall“, ein.

Der Zweite Weltkrieg hatte für Rühle tragische Folgen. Aufgrund einer Denunziation wurde der im Krieg als Feldarzt eingesetzte Mediziner in die Sowjet-Union deportiert und starb dort am 8.Juli 1946 im Alter von 64 Jahren.

Museum und Saurierstall bestanden zunächst auch zu DDR-Zeiten weiter. Maßnahmen zur Grenzschließung schränkten die Besuchsmöglichkeiten jedoch in zunehmendem Maße ein. 1969 wurde der Fundus des Museums schließlich in die Sammlungen des Museums für Naturkunde der Berliner Universität überführt, wo er heute im Magazin lagert. Die 14 m² große Fährtenplatte aus Hildburghausen soll im Rahmen der Neugestaltung eines Ausstellungsraumes jedoch wieder montiert werden.

Die Spuren verlieren sich in der Oberen Trias

Während die Chirotherien wohl die Lebensgemeinschaften der unteren Trias dominierten, setzte in der Mittleren Trias eine Entwicklung ein, die am Ende der Trias zu einem völligen Niedergang der Chirotherien führen sollte: In Sedimenten der Mittleren Trias finden sich in Frankreich die ersten dreizehigen Spuren. Noch spielen sie eine völlig untergeordnete Rolle. Auch die Größe der Trittsiegel reicht nicht an die der Chirotherienfährten heran. Sie messen meist kaum mehr als 5 cm in der Länge. Doch die Spuren lassen einen flinken bipeden Läufer erkennen: Die Dinosaurier betreten die Szene. Skelettreste von ihnen finden sich erst in der Obertrias. In den fährtenführenden Sedimenten jener Zeit läßt sich das unaufhaltsame Vordringen der Dinosaurier teilweise gut verfolgen. So stellen Dinosaurierfährten z.B. im Coburger Bausandstein (mittlerer Keuper) Mainfrankens bereits einen beträchtlichen Teil des Fundmaterials neben Spuren der Gattung Brachychirotherium. Bereits im Oberen Keuper (Rhät) lassen sich keine Chirotherienfährten mehr nachweisen. Ein Fund aus dem Unteren Burgsandstein von Coburg (Brachychirotherium coburgense AUMANN 1957Löwensteinformation muß als das letzte, geologisch jüngste Chirotherium, zumindest in Mitteleuropa, angesehen werden. Die Art wird nach HAUBOLD & KARL 1998 allerdings zur Art Brachychirotherium thuringiacum (RÜHLE V. LILIENSTERN) gestellt.

Fundorte und Museen

Die klassischen Fundorte von Chirotherienfährten im Buntsandstein Südthüringens sind bereits im 19. Jahrhundert mit dem Aufkommen der Ziegelindustrie erloschen. Dennoch mag die Kenntnis alter Fundorte dazu beitragen, bei temporären Aufschlüssen wieder fündig zu werden. Die folgenden Angaben stammen größtenteils aus HAUBOLD (1971):

Die ersten Funde von Chirotherienfährten, die Sickler 1834 machte, stammen aus einem Steinbruch des Maurermeisters Friedrich WINZER zwischen Heßberg und Weitersroda, sowie bei Goßmannsrod östlich von Hildburghausen. Die Fährteneindrücke dieser Lokalitäten sind bis 3 cm tief und gut erhalten. Typisch ist das dichte Netz von Trockenrissen auf den Sandsteinplatten. Gelegentlich kommen auch Rippelmarken vor. An Chirotherienarten wurden hier nachgewiesen Chirotherium barthi KAUP, C. sickleri KAUP, C. herculis EGERTON, C. soergeliHAUBOLD sowie C. hessbergense HAUBOLD.

Der klassische Originalfundort der ersten Funde von Chirotherium barthi bei Heßberg konnte in den letzten Jahren wieder entdeckt werden. Im Sommer 2006 wurde eine Wand des Winzer’schen Steinbruchs freigelegt und zum Geotop ernannt.

Weitere Fährtenplatten wurden in einem inzwischen nicht mehr auffindbaren Steinbruch nördlich Harras bei Eisfeld gefunden. Die fündigen Sandsteinlagen waren hier kaum 3 cm mächtig, die zugehörigen Tonlagen, in die die Fährten eingetieft waren, nur ca. 1 cm. Gut erhalten waren auch kleinere Fährten z.B. von Rhynchosauroides. An Fährten wurden C. sickleri KAUP, C. soergeli HAUBOLD, C. harrasense HAUBOLD und C. praeparvum HAUBOLD gefunden. Sämtliche Funde wurden ebenfalls Ende des 19. Jahrhunderts gemacht. Die Anzahl der Fährtenabdrücke,besonders von kleinen Reptilien, wie Rotodactylus matthesi, beträgt bis zu 500 pro qm.

Bedeutende Funde konnten in den 30er Jahren im Stadtgebiet von Hildburghausen gemacht werden. HUGO RÜHLE V. LILIENSTERN legte beim Bau der Badeanstalt u. a. eine 14 qm große Fährtenplatte mit 30 Fährten frei, darunter die von C.barthiKAUP, C. sickleri KAUP, C. bipedale ABEL, C. soergeli HAUBOLD und C. hildburghausense RÜHLE V. LILIENSTERN.

Weiterhin wurden 1933 Hildburghausener Funde aus der Ziegeleitongrube LEFFLER bekannt. Insgesamt betrachtet, verdient der gesamte Bereich zwischen Eisfeld und Hildburghausen bei Bautätigkeiten Beachtung.

Im Buntsandstein Ostthüringens (Ob. Buntsandstein, Thüringer Chirotheriensandstein) wurden Funde aus dem Reinstädter Grund, GumperdaZweifelbach und Eichenberg bei Kahla bekannt. An Arten wurden gefunden C. barthii KAUP, C. sickleri KAUP und bis zu 30 cm große Abdrücke von C. herculis EGERTON.

Im Gebiet um Jena sind Fährtenfunde von Waldeck bei Bürgel (C. barthi und C. herculis ) und aus einem Röt-Steinbruch zwischen Sulza und Großbockedra bekannt geworden (C. sickleriC.soergeli. C. jenense HAUBOLD). Fundhorizont war eine ca. 8 cm dicke Bank eines weiß-grauen, feinkörnigen, festen Sandsteins.

Aus dem Buntsandstein Frankens (Ob. Buntsandstein, Fränkischer Chirotheriensandstein) stammen Funde von C. barthi und C. gambaensis (SCHUSTER) aus Gambach und Thüngersheim nördlich Würzburg. C. barthi und C. sickleri wurden auch bei Aura bei Bad Kissingen am Kloster an der Straße nach Wittershausen gefunden. Von hier stammen angeblich die meisten und schönsten Chirotherienfährten aus dem Buntsandstein Mainfrankens. Neueste Funde aus den Jahren 1989 und 1992 aus der Solling-Folge (s7) bei Wertheim (Külsheim und Hardheim) wurden bereits in FOSSILIEN 1/95 von F.-O. HADERER bekannt gemacht.

In Oberfranken war die Ortschaften Gemlenz und Kauerndorf bei Kulmbach Fundort für C. barthii KAUP und C. hessei SOERGEL. Bei Bauarbeiten wurden 1976 im Dobersgrund westlich Kronach Chirotherienfährten in Sandsteinen des Röt gefunden.

Erdarbeiten für die Erweiterung der Brauerei Waldhaus (Landkreis Waldshut, südöstlicher Schwarzwald) im Jahr 1988 lieferten erstmals Knochenfunde, die möglicherweise von einem Verursacher der Chirotherienfährten stammen.

Neben Fährtenplatten gelang hier der Nachweis von Rauisuchier-Resten, belegt durch mindestens einen Wirbel, einen Hüftknochen und mehrere Zähne. Es handelt sich um die bisher weltweit ältesten Nachweise, da die Fundhorizonte im Bereich des Rötquarzits des Oberen Buntsandstein liegen.

Die Funde, die sich im Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart befinden, wurden 2007 im Rahmen der großen Landesausstellung „Saurier- Expedition in die Urzeit“ ausgestellt. Als sehr wahrscheinlicher Verursacher für die Chirotherienfährten gilt zudem des Scheinkrokodil Arizionasaurus, der in der oben erwähnten Austellung ebenfalls in einer Rekonstruktion zu sehen war.

In der Mittleren Trias war Mitteleuropa vom Muschelkalkmeer bedeckt. Wichtige Fährtenhorizonte finden sich jedoch in Frankreich bei Lyon im „Fährtensandstein du Lyonnais„, der, wie bereits erwähnt, neben Chirotherienfährten die ersten Fährten höherer Archosaurier, wie beispielsweise Anchisauripus oder Grallator enthält. In der Oberen Trias konzentrieren sich Fährtenfunde vor allem auf den fränkischen Raum. Es sind die tonigen Einlagerungen im Sandsteinkeuper (Mittlerer Keuper) des Eltmanner oder Coburger Sandsteins. Die Fundorte liegen vor allem in der Umgebung von Zeil am Main und Eltmann. Ein wichtiger Fundort war Schmachtenberg mit seinen Steinbrüchen im Unteren Semionotensandstein, der bis in die fünfziger Jahre zahlreiche Chirotherien-, aber auch Dinosaurierfährten lieferte. Fundmöglichkeiten bestehen hingegen noch heute, entsprechenden Aufschlussstand vorausgesetzt, in einem Sandsteinbruch (<>CoburgeSandstein) bei Schönbach nördlich Eltmann sowie bei Dörflis, wo man allerdings auch chancenlos vor einem tonnenschweren, massiven Sandsteinquader stehen kann, über den quer eine schöne Fährte verläuft.

Bewundern kann man Chirotherienfährten, vor allem die aus dem Winzer’schen Steinbruch bei Heßberg von 1835, noch heute in nahezu allen naturkundlichen Sammlungen von Museen im näheren Umkreis des klassischen Fundortes.

Im Museum der Natur Gotha sind Chirotherienfährten neben den Tetrapodenfährten aus dem Rotliegenden des Thüringer Waldes zu sehen (siehe FOSSILIEN 4/90). Im Naturhistorischen Museum Schloß Bertholdsburg zu Schleusingen befinden sich mehrere Fährtenplatten, wie auch das abgebildete lebensgroße Phantommodell des Handtieres. Das Naturkundemuseum Coburg birgt Chirotherienfährten sowohl aus dem Buntsandstein Thüringens, wie auch aus dem Keuper Coburgs. Die bedeutende Privatsammlung von Hugo RÜHLE V. LILIENSTERN befindet sich seit 1968 im Museum für Naturkunde Berlin, darunter auch die 14 qm große Fährtenplatte aus Hildburghausen. Buntsandstein- und Keuperfährten besitzen das Staatliche Museum für Naturkunde Stuttgart, das Geolog. Paläont. Institut der Universität Erlangen (ehem. Sammlung KEHL) und der Universität Tübingen.

Erst in jüngerer Zeit konnten wieder spektakuläre Funde von Chirotherienfährten aus dem Coburger Sandstein des mittleren Keupers nahe Coburg entdeckt werden. Ein Hobbysammler aus der Umgebung rief mich im Juli 2006 an und berichtete mir von Funden großer Saurierfährten an der Baustelle der Autobahn A73 östlich von Coburg bei Rödental Ortsteil Waldsachsen. In Mengen würden riesige halbmeterdicke Platten mit Abdrücken auf einem Haufen liegen. Ich hatte selbst im Jahr vorher ein Belegstück einer Fährte in der Nähe des neuen Fundorts entdeckt, konnte aber die Herkunft des Stückes nicht lokalisieren. Es war von eine Raupe verschleppt worden. Am folgenden Vormittag machte ich Meldung von diesem neuen Fund beim Geologen des Naturkundemuseums in Coburg, Dr. Eckardt Mönnig, der die Fundstelle sofort sichern ließ. Heute befinden sich die Fundstücke im Naturkundemuseum in Coburg.

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Bilder von der Autobahnbaustelle im Coburger Sandstein im Jahr 2005 …weiter… Bilder von der Autobahnfundstelle bei Coburg im Coburger Sandstein 2006 …weiter…

Literatur

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BÖHME, G. (1993):  Die Paläontologische Sammlung H. Rühle von Lilienstern  -Bedeutung und Schicksal.-  Die Fundgrube Jahrgang XXIX, 3-4.

FALKENSTEIN, F. (1991)  Saurier am Waldhaus – über die ältesten Funde im Landkreis Waldshut.-  Heimat am Hochrhein, Jahrbuch des Landkreises Waldshut, Band XVI, Waldshut.

FALKENSTEIN, F (1991) Ein sensationeller Saurier- Fund. -Das Waldhaus löst ein weltbekanntes Rätsel.-  Heimat am Hochrhein; Jahrbuch des Landkreises Waldshut 1994, Band XIX, Waldshut.

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HADERER, F. O. (2000): „Chimäre“ Brachychirotherium.-  fossilien 2/2000, 79-80; Korb.

HAUBOLD, H. (1974): Die fossilen Saurierfährten.-  Neue Brehm-Bücherei 479, Wittenberg.

HAUBOLD, H: (2006): Die Saurierfährten Chirotherium barthii KAUP, 1835 – das Typusmaterial aus dem Buntsandstein bei Hildburghausen/Thüringen und das “Chirotherium-Monument”. Veröffentlichungen Naturhistorisches Museum Schleusingen, Band 21, 3-31.

KARL, C. & HAUBOLD,H. (1998): Brachychirotherium aus dem Coburger Sandstein, Mittlerer Keuper, Karn, Nor in Nordbayern.-  Hallesches Jahrb. Geowiss.. B20, 33-58, Halle (Saale).

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