Der Muschelkalk der „Langen Berge“

Aufgeschlossen beim den Bau der Autobahn A73 neu.

Der Bericht „Der obere Muschelkalk des Coburger Landes“ aus dem Jahre 1992 war noch ausschließlich auf Feldbegehungen (Aufsammlungen von 1975-1992) in der Flur der Langen Berge und auf die dabei geborgenen Feldfunde aufgebaut. Diese Voraussetzungen änderten sich grundsätzlich ab dem Jahre 2000 für die Dauer der Baumaßnahmen, die bis zur Fertigstellung der „A73 neu“ verstreichen würde.

Bereits kurz nach dem „Mauerfall“ wurde auf politischer Ebene über ein verkehrstechnisches „Lückenschlussprogramm“ zwischen Franken und Thüringen diskutiert. Das „Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 16“, die Y-Lösung aus A73 und A71 wurde 1993 in den Bedarfsplan für Bundesstraßen aufgenommen. Die erforderliche Anbindung von Ober- und Unterfranken nach Südthüringen sollten mit allen positiven und negativen Konsequenzen realisiert werden.
Für die Trassenführung der A73 von Lichtenfels zur Landesgrenze bei Eisfeld, kam es wegen der 6 unterschiedlichen Planungsvarianten um Coburg herum, zum traditionellen Zwist zwischen den üblichen Verdächtigen. Politik, Wirtschaft, Landwirtschaft und Umweltverbände machten sich für oder gegen die eine oder andere Streckenvariante
stark, oder lehnten sie ab. Letztlich setzte sich (Entscheidung der Regierung von Oberfranken) aber schon im Juni 1994 der Trassenverlauf östlich von Coburg durch.

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Bild rechts:
Schwarz dargestellt, die vielen Streckenvarianten die mehr oder weniger weiträumig westlich und östlich an Coburg vorbeigeführt hätten. Letzlich realisiert wurde, nach Ministerialbeschluß, die Autobahn A73 in der braun eingezeichneten Trassenführung.

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Die weitere Fortführung sollte über Eisfeld und Hildburghausen nach Suhl gehen und dort in die von Schweinfurt kommende A71 münden.
Der Streckenabschnitt über die „Langen Berge“ im Norden von Meeder ließ erstmalig die Möglichkeit erwarten, detaillierte Information zur Stratigraphie des Muschelkalks im Raum Coburg zu gewinnen. Unsere Vorfreude und eine hohe Erwartungshaltung trieben groteske Blüten. Dekameter hohe Profile (zum Erfassen der stratigraphischen Profile) und kilometerlange Aufschlüsse zum horizontierten Fossiliensammeln entstanden vor unserem geistigen Auge.

Doch leider blieb es nur beim Wunschdenken!
Die Realität war ernüchternd. Durch die abschnittsweise Ausschreibung der Tiefbaumaßnahmen, wurden die erforderlichen Erdarbeiten nicht zeitgleich im Ganzen angefahren, sondern ebenfalls (nach Kapazität der beauftragten Firmen) stückweise in Angriff genommen. Für den Trassenverlauf in den Schichten des oberen Muschelkalk von Moggenbrunn bis nördlich von Mirsdorf hatten die Planer zudem eine Streckenführung ausgetüftelt, die die imaginären hohen Profile (außer in der nodosus bis dorsoplanus-Zone) wie Seifenblasen zerplatzen ließ. Häufig wurden nur flache Geländekuppen angeschnitten, die Senken bis zur nächsten Kuppe mit dem Abraummaterial aufgefüllt. Manch eine der flacheren Aufwölbungen bestand zudem nur aus Mutterboden und den obersten Verwitterungsschichten. Trotz dieser Desillusionierung, ein Jahrhundertaufschluss im mo unserer Region.
Die ersten Baumaßnahmen starteten im Jahr 2000 nahe Beuerfeld im unteren Keuper. Ab 2001 folgten dann erste Bautätigkeiten auf den „Langen Bergen“, die Schichten des oberen Muschelkalks anschnitten.

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Schon früh im Laufe dieses Jahres konnte ich die profunden Kenner des oberen Muschelkalk W. Ockert und S. Rein für die Profilaufnahme in geeigneten Geländeeinschnitten gewinnen. Lothar und ich, verfolgten die fortschreitenden Baumaßnahmen mehrmals in der Woche. Sobald eine ausreichende Anzahl an neuen Profilen freigeschoben und damit erschürfbar war, nahm ich zeitnah Kontakt mit Willy und Siegfried auf.
Die Beiden legten dann in akribischer Kleinarbeit komplette Schichtfolgen frei.
Von oben nach unten wurde jede Bank und jede Mergelfuge lithologisch nach der nebenstehenden Legende erfasst und die Schichtdicke vermessen. Willy „sprach“ die einzelnen Schichten an und Siegfried führte Protokoll. Traten Fossilien im Profil auf, wurden sie bestimmt und im Protokoll der Fundschicht zugeordnet. Selbst Fossilien im Querbruch von Kalkbänken konnte Willy sofort bestimmen! Diese handschriftlichen Aufzeichnungen wurden auf den Computer übertragen. Ein „Zeichenprogramm“ fand Einsatz für die graphische Darstellung der stratigraphischen Profile.

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Wegen des allgemeinen süd-östliche Einfallens der Schichtstufen südlich des Thüringer Waldes, konnten auch in längeren, flachen Einschnitten des Öfteren mehrere Ceratitenschichten nachgewiesen und/oder Anschlussprofile zu benachbarten Aufschlüssen aufgenommen werden.
Trotz der fehlenden Profile aus den „Verfüllungs-Abschnitten“ gelang die Erfassung folgender Ceratitenschichten:
Ein ca. 13m hohes Profil vom Übergang mm nach mo bis in die pulcher-Zone.
Ein ca. 3 Meter hoher Abschnitt aus der robustus-Zone.
Von der spinosus-Zone bis in die dorsoplanus-Zone konnten 25m Schichthöhe erfasst werden.
Alle diese Ceratiten Zonen konnten durch Belegstücke nachgewiesen werden.

     

Das stratigraphische Profil „Mirsdorf“ (rechts)
wurde in einem Geländeeinschnitt nördlich der Ortschaft Mirsdorf aufgenommen. Aufgeschlossen waren über mehr als hundert Meter Länge der Übergang mm zu mo mit den Trochitenbänken. Die Bänke waren sehr untypisch ausgeprägt, nämlich mit sehr wenigen Seelilien-Stielgliedern auf der Schichtoberfläche.

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Im Bild links ein kleiner Ausschnitt dieses Profils mit dem Trochitenkalkbänken.

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Profil links:
Original-Datensatz von Willy Ockert.

Ein Teilprofil aus der robustus-Zone. Aufgenommen
nördlich Drossenhausen. Leider konnten tiefere
Schichtfolgen nicht mehr erschürft werden
um den Anschluß an das Profil Mirsdorf herzustellen.

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Das stratigraphische Profil „Moggenbrunn/Ortelsberg“ (rechts)

wurde an den linken und rechten Flanken dieses Einschnitts
(Bild oben)  nördlich von Moggenbrunn aufgenommen. 

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Neben den Ceratiten aus dem Anstehenden konnten auf Abraumhalden und den abgeschobenen Flächen der jeweiligen Bauabschnitte weitere Ceratiten und Begleitfauna (vor allem Brachiopoden und Muscheln, aber auch Schnecken, Zähne und das Häutungshemd eines Krebses) geborgen werden.
Die folgenden Bilder zeigen einige Stücke aus dieser Begleitfauna.

Doppelklappige Exemplare der Muscheln
Myophoria vulgaris und
Hoernesia socialis
(in Schalenerhaltung).
2 Doppelklappige Exemplare der Muschel
Pleuromya musculoides
(in Steinkernerhaltung).
 Loxolema sp.
eingelagert in eine Tonschicht der nodosus-Zone.
Das „Häutungshemd“  Krebses
Pemphix sp.
mit erhaltenen Beinen.
Der Haizahn
Hybodos plicatilis.
 Der Haizahn
Hybodos longiconus.

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Regenwasser RueckhaltebeckenEine besondere Fundstelle hatten wir in der Umgebung dieses Regenrückhalte- Beckens an der Straße von Drossenhausen nach Unterlauter (Bild rechts). Hier konnten wir neben Ceratiten aus den unteren Ceratitenschichten (flexuosus-, pulcher- und robustus- Zone) auch große Nautiliden bergen..

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Ceratites cf. flexuosus
Ceratites pulcher
Die Rückseite des C. pulcher
mit den Grabgängen
Sediment fressender Organismen
in der Wohnkammer.
Ceratites sequens mit juvenilen
Hoernesia socialis.
Germanonautilus bidorsatus

Ceratites robustus  Ceratites (robustus) phillipi

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In den nodosus-Schichten.


Bild oben:
Ceratites nodosus D=20cm.
Innenwindungen sind nicht erhalten.

Bild unten:
Ceratites nodosus D=15cm
Innenwindungen ebenfalls nicht erhalten.

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Bild oben:

     ein Profil in der nodosus-Zone.
     Unten die Saurierkalkbank, darüber folgt ein ca. 4m Schichtstoß mit
     Tonmergel-Schichten und Kalkbänken.
     Der Pfeil zeigt einen Ceratites nodosus im Anstehenden
     direkt unter dem Hammergriff.

 

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Während die nodosus-Zone an mehreren Abschnitten der Trasse aufgeschlossen wurde, konnten wir die Discoceratiten-Schichten nur im Raum Moggenbrunn nachweisen. Trotz intensiver Nachsuche gelangen uns wieder nur Funde aus der weyeri-und dorsoplanus-Zone.

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Aus den Discoceratiten-Schichten:

 Ceratites levalloisi
Ceratites dorsoplanus

Die Fundhäufigkeit über die gesamte Strecke des mo war, abgesehen von der nodosus-Zone, überraschend gering. Die Erhaltungsqualität der Fundstücke im Untersuchungsgebiet war bei oberflächennaher Einlagerung eher bescheiden. Huminsäure hatte die Oberfläche der Fossilien großenteils stark „angegangen“. Tieferliegende Schichten lieferten im Allgemeinen Fossilien in guter Erhaltung.

Bei Ceratiten aus der Nodusus-Zone bis in Discoceratiten-Schichten hinein, fehlten meist die Innenwindungen. Die Oberfläche bedeckten häufig Kalksinterschichten und/oder knolligen Kalkausfällungen. In all den Jahren der intensiven Feldbegehungen und auch während der gesamten Bauzeit der A73 über die Langen Berge konnten wir wieder nicht die obersten Schichten der Discoceratiten-Zone mit C.-semipartitus und C.-meissnerianus durch Fundstücke nachweisen.

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Das Bild links zeigt ein solches Fundstück. Auf der Rückseite ist zu erkennen, dass die Innenwindungen nicht erhalten sind. Die Gehäuse-Flanken, der Nabel und der Venter sind mit Kalk-„Pusteln“ besetzt.

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Im weiteren Streckenverlauf der Autobahn wurde der mittlere Muschelkalk über eine Strecke von ca. 2 Kilometer durchfahren. Die Schichten des unteren Muschelkalks ließen sich nur über etwa 1 Kilometer verfolgen, weil der Trassenverlauf dann den stark abfallenden Nordrand der Langen Berge bei Rottenbach erreicht und dort auf kurze Distanz in den Buntsandstein wechselt.

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Hier konnte mein Freund Uwe auch einige interessante Sammlungstücke aus dem „Röt“ bergen.

Unbestimmter Reptilienzahn auf Muschelplatte mit Myophoria vulgaris
Beneckeia tenuis auf fossilem Meeresgrund
mit Hoernesia socialis, Myophoria vulgaris
und Loxolema sp.

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Den nahezu zeitgleichen Neubau der A71 von Schweinfurt nach Suhl, der ungleich mehr und sehr gut erhaltene Fossilien lieferte, wie auch den weiteren Verlauf der A73 auf Thüringer Seite konnten wir aus zeitlichen Gründen leider nicht mehr verfolgen.

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Eine freudige Überraschung erlebte ich viele Jahre später beim lange überfälligen Besuch unseres Sammlerkollegen Wolfgang Stadler in Neustadt. Bei der Sammlungsbesichtigung stach mir sofort ein Ceratites semipartitus ins Auge. Auf Nachfrage woher das Stück stamme, erhielt ich die Antwort; „von den Langen Bergen“!
Vielen Dank an dieser Stelle an Wolfgang für die Überlassung des Fundstückes im Oktober 2016.
Ein Schurf an der Fundstelle soll im nächsten Jahr die Fund-Zone bestätigen. Eine lang existierende Schichtlücke am Top der oberen Ceratitenschichten wäre damit in meiner Regionalsammlung geschlossen.

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Das Bild rechts zeigt den gut erhaltenen Ceratites semipartitus der nun meine Lokalsammlung ziert. Der Durchmesser des Phragmokons beträgt 26 cm.

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Diese Bereicherung meiner Lokalsammlung führte natürlich dann auch zu gesteigertem Interesse an weiteren Belegstücken der Semipartitus-Zone.
Dr. E. Mönnig vom Coburger Naturkunde-Museum konnte mir durch Ausleihe von Literatur weiterhelfen. In der Diplom Arbeit von Volkher Riech aus dem Jahre 1971 „Neuaufnahme von Muschelkalk und Unterkeuper im Raume Coburg“ wird auf Funde von C.-semipatitus und C.-meissnerianus hingewiesen. Dr. Mönnig war sofort bereit das Muschelkalk-Archiv des Museums nach den beschriebenen Stücken zu durchsuchen. Es fanden sich neben dem oben abgebildeten C.-semipartitus auch noch weitere Bruchstücke, aber nicht der
C.-meissnerianus. In jedem Fall wieder ein großartiger Erkenntniszuwachs!

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Bild links:
Der Ceratites semipartitus aus dem Archiv des Naturkunde-Museums Coburg, den
Herr Volkher Riech für seine Diplom-Arbeit auf den Langen Bergen bergen konnte.

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Mein besonderer Dank gebührt Willy Ockert und Siegfried Rain für den enormen Arbeitseinsatz den sie in die Erstellung der stratigraphischen Profile investierten, wie auch meinen Sammlerfreunden Lothar und Uwe.
Mein Dank geht auch an Dr. E. Mönnig für die Unterstützung bei der Recherche.

c-cfk Dez. 2016

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