Der obere Muschelkalk des Coburger Landes

Siehe auch „Fossilien“ Heft Nr. 2 von 1992, Seite 122-126

Das Coburger Land liegt im Norden Bayerns, reizvoll eingebettet zwischen dem Thüringer Wald und dem oberen Maintal. Die reich gegliederte, hügelige Landschaft wird geprägt durch die Schichtfolge der Trias (Bundsandstein, Muschelkalk und Keuper), die Jurascholle von Sonnefeld und die nördlichen Ausläufer des Fränkischen Jura.

In südwestlicher Richtung einfallende Schichten des Muschelkalk in Meininger Fazies bilden die Langen Berge“. Dieser Höhenzug nordwestlich von Coburg erstreckt sich bis an die Thüringische Landesgrenze, der ehemaligen innerdeutschen Grenze (auf der Karte strichpunktiert dargestellt) und erreicht mit 527m seine größte Höhe.

mo10mu = unterer Muschelkalk,
mm = mittlerer Muschelkalk,
mo = oberer Muschelkalk,
-.-.-.-.- = Landesgrenze nach Thüringen (ehem. „Eiserner Vorhang“)

Das landwirtschaftlich intensiv genutzte Gebiet liefert neben temporären Bauaufschlüssen keine Möglichkeit Fossilien horizontiert zu sammeln und Profile aufzunehmen. 1990 konnten bei einer Baumaßnahme am Ortsrand von Ottowind einige Discoceratiten vollständig geborgen werden, die sonst wegen ihrer Größe nur in Bruchstücken aufzufinden sind, eine Profilaufnahme war aber wegen der ungünstigen Baugrubenanlage nicht möglich.

Diese Voraussetzungen bewogen uns dazu, mittels einer Lesesteinkartierung ein biostratigraphisches Netz über das Sammelgebiet zu legen, beginnend mit dem Ausbiss des Oberen Muschelkalk. Dazu wurden die Fundpunkte aller verwertbaren Fossilien in Messtischblätter eingetragen. Nach erreichen einer erforderlichen Funddichte kann annähernd die geographische Verbreitung einzelner Ceratitenzonen durch die farbgleiche Codierung aller, einer Zone zugeordneten Fundstellen, dargestellt werden. Basis unserer biostratigraphischen Zonierung war die Ceratiten Systematik von URLICHS & MUNDLOS (1980,1987).

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Diese Ceratitensystematik ist zwischenzeitlich durch Arbeiten von S.REIN zur Phylogenese der „Biospezies“ Ceratites nodosus abgelöst worden.

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Die Gattung Ceratites gehört zur Klasse der Cephalopoden (Kopffüßler) und stellt im Oberen Muschelkalk die Leitfossilien (neben den Conodonten und den zugeordneten mikropaläontologischen Zonen). Sie werden dazu eingesetzt, das geologische Profil in Zonen zu gliedern, wobei das früheste Auftreten der namensgebenden Art den Beginn der jeweiligen Zone markiert.

Bei unseren Aufsammlungen konnten bisher die Zonen des mo2 (compressus– bis enodis-Zone) und die Zonen des mo3 von der sublaevigatus– bis zur dorsoplanus-Zone belegt werden. Die semipartitus-Zone des mo3 konnten wir ebenso wie alle Zonen des mo1, noch nicht nachweisen. Die cycloides-Bank mit der Terebratel Coenothyris cycloides als Leithorizont für die Grenze mo2/mo3, wurde bereits über eine längere Strecke kartiert. Die Spiriferina-Bank, nahe der Grenze mo1/mo2 konnte noch nicht aufgefunden werden. Weitere Kartierungsarbeiten werden noch Jahre in Anspruch nehmen, da das Begehen der Felder nur außerhalb der Vegetationszeit erfolgen kann.

Von den bisher gefundenen ca. 2500 Ceratiten-Steinkernen und –Bruchstücken sind nur ca. 6% zum Bestimmen und Vermessen geeignet. Dies ist auf die sehr häufige Beschädigung durch landwirtschaftliche Geräte und Anlösung bei oberflächennaher Einlagerung zurückzuführen.

Aus dem mo3

mo4Abb.4: Ceratites (Discoc.) dorsoplanus Phillippi aus dem mo3 von Ottowind.
Ein juveniles Exemplar mit 18cm Durchmesser

mo3Abb.5: Ceratites cf. nodosus aus dem mo3 von Ottowind
mit postmortalem Bewuchs durch die Muschel Placunopsis ostracina v. Schlothheim. Größe 8,8cm

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Abb. 6: Ceratites (ceratites) macrocephalus Wenger aus der nodosos-Zone des mo3 von Meeder.
Eine Oberklappe der Muschel Hoernesia socialis v. Schlotheim ist seitlich angeschwemmt erhalten. Größe 10,5cm


Aus dem mo2

Abb.7: Ceratites enodis aus der enodis-Zone von Mirsdorf

mo2Abb.8: Ceratites cf. compressus aus der compressus-Zone von Mirsdorf. Größe 7,8cm


Biologische Strukturen und pathologische Einflüsse auf Ceratiten.

Bei der Fossilisation wurden auch Besonderheiten an und in den Steinkernen erhalten, so z.B. Relikte von Bewuchs durch Muscheln, durch Epöken, verdriftete Hartteile anderer Organismen, sowie Gehäuseanomalien durch Schalenverletzungen und Parasitismus.

An ca. 50% der bearbeiteten Cephalopoden wurde postmortaler Bewuchs durch die Muschel Placunopsis ostracina (SCHLOTHEIM) beobachtet. Diese Austern benötigen einen festen Untergrund zum Besiedeln und nutzen dafür u.a. auch die leeren, driftenden Ceratiten- und Nautiliden-Schalen. Einige Fundstücke weisen jedoch Bewuchsstrukturen auf, die darauf schließen lassen, dass die Besiedelung zu Lebzeiten des Fossils erfolgt sein muss. Die Muschelschalen sitzen in diesen Fällen böschungsorientiert, zum Teil beidseitig am Gehäuse auf. Bei anderen Exemplaren wurden die festzementierten unteren Klappen von der nächsten Gehäusewindung des Cephalopoden überwachsen. Durch die gelegentlich sehr große Zahl von Placunopsis-Schalen einer Generation und der damit verbundenen Gewichtszunahme lässt sich die von EBEL (1983) rechnerisch ermittelte Aussage, dass für viele Ammonoideen eine mehr oder weniger bodenbezogene (benthonische) Lebensweise angenommen werden muss, auch auf verschiedene Ceratitenarten übertragen. Weitere Indizien dafür sind die sehr dicke und stark skulpturierte Gehäuseform und der nicht erfolgte Gewichtsausgleich bei einseitigem Bewuchs , der für eine schwimmende Lebensweise erforderlich gewesen wäre.

Durch pathologische oder traumatische Ereignisse ausgelöste Veränderungen und Missbildungen des Gehäuses von Ammonoideen (bzw. Ceratiten) wurden u.a. durch KEUPP (1985) und REIN (1988,1989, 1991) untersucht und gedeutet.

Reste der aragonitischen Schale sind selten erhalten, da die Schale während der Fossildiagenese meist vollständig aufgelöst wurde. Sie baute sich aus der äußeren Prismenschicht, der Perlmuttschicht und der lokalen inneren Prismenschicht auf und wurde durch das Mantelorgen gebildet, das die Wohnkammer (Conothek) auskleidete. Relikte der inneren Prismenschicht (Conellen), sind auf besondere Aragonitkristallausbildungen zurückzuführen (ERBEN 1972).

Auf dem Phragmokon eines Ceratiten (Abb. 9) ist eine deutliche Furche ausgebildet, die sich schräg über drei Interseptalräume der Ventralseite zieht. Furchen in der Oberfläche von Cephalopoden werden als Schaleneinbruch im Wohnkammerbereich gedeutet (REIN, 1988) die vom Mantelephitel mit einer Ersatzschale unterfangen und dadurch abgedichtet wurden. Auf dem Grund der oben erwähnten Furche sind mehrere Conellen ausgebildet (Größe < 1mm) die aus dieser Ersatzschale entstanden sind (Abb. 10).

mo13Abb.9: Ceratites muensteri perkeo WENGER aus der postspinosus-Zone des mo2 südlich von Mirsdorf

mo14Abb.10: Detailansicht der Furche mit Conellen

Eine Septen-Anomalie die möglicherweise durch parasitäre Beeinflussung des hinteren Mantelepitels hervorgerufen wurde, das den Einbau neuer Septen und Muralleisten übernahm, ist bei dem Ceratiten (Abb. 11 und 12) zu sehen. Während die Septen im lateralen Bereich näherungsweise senkrecht zum Nabel stehen, knicken sie nahe der Nabelkante ca. 30° nach hinten ein.

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Abb. 11: Ceratites (Acanthoc.) spinosus aus der spinosus-Zone von Drossenhausen mit abknickenden Septen. Größe 14cm

mo7Abb.12: Detailaufnahme des obigen Ceratiten

Die seltenen Funde fastigater Ceratiten stellen immer eine Besonderheit dar. Bei dem abgebildeten Exemplar (Abb. 13 und 14) ist die normale nodose Flankenskulptur (Faltenrippen und Externknoten), auf den Innenwindungen beim Ende des Phragmokons gut erkennbar. Danach sind die Externknoten auf die Ventralseite gewandert und ergeben den zahnradartigen Umriss. Auslöser dieser Skulpturänderung war eine Verletzung des Mundsaum-Epithels einer Gehäuseflanke. Um diese Verletzung zu kompensieren, übernahm der gesunde Teil des Epithels unter starker Dehnung die Funktion auch auf der verletzten Seite. Die im Mundsaum genetisch fest verankerten Skulptur-Informationen wanderten bei der Streckung mit, wodurch beim weiteren Wachstum der glatte „Rücken“ auf der verletzten Flanke als skulpturfreie Region ausgebildet wird. Die ehemaligen Externknoten werden auf der normalerweise skulpturlosen Ventralseite ausgebildet. Den Bildungsmechanismus für solche Anomalien beschrieb KEUPP ausführlich in FOSSILIEN Nr. 6/1984. Trotz des völlig veränderte Gehäuse–Querschnitts ist es dem Organismus gelungen, den Septeneinbau der veränderten Geometrie anzupassen und ein adultes Alter zu erreichen (Lobendrängung).

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Abb. 13 und 14: Ceratites (Ceratites) nodosus (Schlotheim) forma fastigata
aus der nodosus-Zone nördlich von Meeder. Größe 17cm

Bei einem Besuch des Coburger Landes empfehlen wir geologisch/paläontologisch Interessierten unbedingt auch den Besuch des Naturwissenschaftlichen Museum von Coburg mit den Schausammlungen (u.a. Mineralien, Gesteine der Erdrinde, Fossilien usw.). Neben diesen Ausstellung bestehen noch umfangreiche Depotsammlungen die Geologen/Paläontologen auf Anfrage zugängig sind. Die Originale mehrerer Fossilien- Erstfunde aus Buntsandstein und Keuper des Coburger Landes (Fische, Saurier und Pflanzen) lagern hier. Die Historie dieser Sammlung kann im Exkursionsbericht „Paläontologisch/geologische Exkursion im Coburger Land und in die Fränkische Alb am 17.4.2010“ nachgelesen werden.

c-cfk

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