Die Insel Fur

Fur ist eine kleine Insel im Nordwesten Dänemarks. Sie liegt im Limfjord, der die dänische Halbinsel von West nach Ost durchschneidet. Es besteht zwar keine Brückenverbindung zum Festland, dafür verkehren aber Autofähren von Branden aus, die in kurzen Intervallen die mehrminütige Überfahrt absolvieren. Die 1100 Einwohner von Fur bewohnen mehrere Ortschaften, die im südlichen, flachen Teil liegen, während der Norden von einer markanten Hügellandschaft eingenommen wird. Eine vielgestaltige Vegetation mit windgepeitschten Fichtenwäldern, Heidegebieten, Sumpfarealen und das ruhige Wasser des Limfjords laden ein zum Baden, zu Wanderungen und zum Entspannen. Entlang der nördlichen Küstenlinie hat die Erosion einige eindrucksvolle Klinte (Steilküsten) geschaffen. In diesen bis zu 40 m hohen, fast senkrecht abfallenden Wänden kann man dann auch die Besonderheit des Untergrundes von Fur gut erkennen, die eozänen Moler-Ablagerungen.

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Die Insel Fur
Schwarz: Hügelland; dunkelgrau: Flachland; hell­grau: postglazial angehobenes Küstenvorland.
Foto: Fur-Museum

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Diatomeen durch das Mikroskop.
Wegen der verkieselten Zellwände der Protisten entstand die
Bezeichnung Kieselalgen. Größe 0,5 bis 0,01 mm. Foto: Fur-Museum

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Am Knudden-Klint.
Durch die Ascheschichten ist es möglich, die eindrucksvolle Faltung
der Sedimente zu verfolgen. Foto: W. Claus.

Der Moler

Vor ca. 50 Mio. Jahren erstreckte sich das Eozäne Becken noch von Norwegens Südküste bis weit nach Norddeutschland hinein. Die unterseeische Ringköbing-Fünen-Schwelle teilte das nördliche Dänische Becken ab. In diesem Beckenteil kam es durch besonders günstige Lebensbedingungen zu Massenvorkommen von Algen. Nach dem Absterben sanken die Kieselschalen (Diatomeen) zum Meeresgrund und bildeten das Sediment, zusammen mit plastischem Ton, der von den umliegenden Landmassen eingespült wurde. Zur Molerablagerung kam es jedoch nur in den Gebieten, in denen die Diatomeen-„Produktion“ weitaus größer war als die Menge des eingeschwemmten Tonmaterials.

Ascheschichten

Zur gleichen Zeit führten tektonische Veränderungen entlang der mittelatlantischen Spaltenzone zu starkem Vul­kanismus. Das nördliche Skagerrag erschütterten heftige Eruptionen. Die Ascheregen von ca. 200 Ausbrüchen wurden von nördlichen Winden über das gesamte Becken verteilt und sind als dunkelgraue Bänder (bis zu 15 cm dick!) in die 50 bis 60 m dicke Molerserie eingelagert.

Diese Schichten dienten bei der Erforschung durch BOGGILD und USSING zur Aufteilung der Molerformation. Eine Ascheschicht, die in allen Klinten auf Fur und Mors gut aufzufinden war, erhielt die Nummer +1. Alle darüberliegenden Schichten der positiven Serie bekamen demzufolge Nummern bis zu +140, alle darunterliegenden die Nummern bis -39. Eine Schicht 0 wurde nicht ausgewiesen, so dass insgesamt 179 nachweisbare Aschebänder das Sedimentpaket untergliedern.

Zementstein

In sechs Schichtbereichen des gesamten Profils treten bankartig verbundene oder einzelne Zementsteine auf. Große Exemplare dieser Kalkkonkretionen können im Durchmesser bis über 1m groß werden. Die Kalkausfällung wurde häufig durch abgestorbene Organismen ausgelöst. Eine weitere Voraussetzung war vermutlich auch ein besonderes Bodenmilieu (sauerstoffarm usw.).

Eiszeitliche Einflüsse

Von den verschiedenen Eiszeiten, die sich während des Quartärs von Skandinavien über Dänemark ausbreiteten, hat vor allem die Weichsel-Eiszeit die Insel Fur geographisch geprägt. Durch die von Norden vordringenden Gletscher wurden aus dem Untergrund gefrorene Molerschollen aufgebrochen, hochgepresst und nach Süden transportiert. Als die Gletscherzungen dann zum Stillstand kamen, wurden die gefalteten, aufgeschobenen Schollen auch in den Endmoränen abgelagert, zusammen mit anderem Geschiebematerial. Der Höhenzug im Norden Furs ist eine solche Ablagerung. Erosion an den Kliffs legten die Molersedimente frei. Die dunklen Ascheschichten vermitteln eindrucksvoll die erfolgten Verformungen.

Wirtschaftliche Bedeutung

Der Moler ist im trockenen Zustand eine spezifisch sehr leichte, poröse, hellgelbe Tonart. Die erreichbaren Vorkommen sind sehr begrenzt und erstrecken sich nur über den westlichen Teil des Limfjordes. Für die industrielle Verwertung wird nur der mittlere Abschnitt des Gesamtprofils abgebaut. Das umfasst die Moler-Serie (Schicht -19 bis + 1) mit ca. 20m Mächtigkeit, während die Schiefer-Serie (Schicht -39 bis -18) und die Ascheserie (Schicht +1 bis +140) aus verschiedenen Gründen nicht verarbeitet werden kann. Im gebrannten Zustand findet das Material Verwendung als Isolierstein, Füll- und Trägerstoff und in neuester Zeit zunehmend als Katzenstreu. Die Produkte gehen größtenteils in den Export. Die beiden Molerwerke auf der Insel betreiben mehrere große Gruben um den erforderlichen Rohstoff zu gewinnen, die auch teilweise landschaftsverändernde Auswirkungen haben. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass bereits 1983 eine Arbeitsgruppe sich bemühte, die ökonomischen und ökologischen Interessen miteinander in Einklang zu bringen. In einem bis ins Jahr 2022 gültigen Vertrag sind unter anderem Abbaugebiete, Abbaumengen und Rekultivierungsmaßnahmen festgelegt.

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Ein Schwarm von Lachsfischen Neoclupavus sp.
Foto u. Slg.: Fur-Museum

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Flint-Seeigel aus der Kreide. Verschiedene Arten von Echinocorys.
Besonders attraktiv sind die Stücke, die noch teilweise im Flintgestein sitzen.
Foto u. Sammlung: W. Claus

Moler-Fossilien

sind sowohl in den alten und neuen Gruben, als auch im Hangschutt der Steilküste zu finden. Die Fundhäufigkeit ist in den Zementsteinen größer als in den Tonablagerungen. Die Erhaltungsqualität ist ebenfalls besser, jedoch sind die Steine sehr hart und springen und splittern gegen die Schichtrichtung (eine Schutzbrille ist sehr ratsam!). Zum Sammeln im Ton ist nur ein stabiles Messer für das Aufspalten der Schichten erforderlich. Zu den häufigsten Fossilien gehören Fische, wobei sich das nur auf einen kleinen Lachsfisch (verwandt mit dem heutigen Goldlachs) bezieht, der auch in großen Schwärmen aufgetreten ist. Die anderen mehr als 40 Arten, die bisher gefunden wurden, sind nicht häufig bis sehr selten und kommen sowohl im Ton als auch im Zementstein vor. Insekten sind in mehreren Schichtbereichen (Zementsteinlagen) besonders häufig zu finden. Sie stammen aus dem südlichen Skandinavien und wurden durch nördliche Winde aufs Meer hinausgetrieben, wo sie versanken und von Diatomeen eingebettet wurden. Sehr oft kann man isolierte Flügel finden, aber auch körperlich unversehrte Tiere wurden nicht selten entdeckt. Die bisher gefundenen Fossilien gehören einem breiten Spektrum von Ordnungen und Unterordnungen aus der Klasse der Insekten an, die meisten sind jedoch noch nicht wissenschaftlich bearbeitet. Zu den häufigeren Funden gehören z. B. Mücken, Zikaden und Wanzen, selten findet man dagegen Schmetterlinge, Libellen und Eintagsfliegen u. a. (siehe auch FOSSILIEN, Heft 2/86, S. 70). Versteinertes Holz und andere Pflanzenreste findet man bevorzugt in den Zementsteinhorizonten. Es handelt sich dabei größtenteils um Material, das durch die Flüsse ins Meer transportiert wurde. Bedingt durch den langen Transport sind die meisten Stücke leider unvollständig und/oder schlecht erhalten. Aber auch gut erhaltene Stämme und Äste von Araucaria und Sequoia wurden gefunden, Blätter von Laubbäumen, Gräser, Zapfen von Nadelbäumen u. v. m. Reste von Reptilien, Vögeln und Krebsen sind sehr selten und unterliegen fast immer dem dänischen Schutzgesetz für bewegliche Bodendenkmäler (siehe FOSSILIEN, Heft 4/91, S. 215-220).

Außer den Moler-Fossilien kann man am Strand auch verschiedene Kreidefossilien finden, insbesondere Seeigel (meist verschiedene Arten von Galerites und Echinocorys) in Flinterhaltung. Es bedarf einer gewissen Eingewöhnungszeit, bis man unter den Tausenden von runden, weißen und schwarzen Steinen die gesuchten Seeigel erkennt!

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Ein Wasserläufer. Foto u. Sig.: Fur-Museum

Archäologie

Die Landschaften um den Limfjord gehören zu den ältesten Kulturlandschaften Dänemarks. Durch Jahrtausende hindurch lassen sich Zeichen von menschlicher Besiedlung und von Grabstätten bis in die Altsteinzeit zurückverfolgen. Bei Wanderungen auf der Insel Fur wird man als aufmerksamer Beobachter sehr rasch bearbeitete Flintsteine finden, die als Werkzeuge von der Steinzeit bis in die Eisenzeit Verwendung fanden. Der Archäologe des Fur-Museums beantwortet dem Laien bereitwillig alle bestehenden Fragen. Hilfreich ist es in jedem Falle, schon vorher die Sammlungen auf Fur und in Thisted anzusehen. Jedem Besucher der Insel Fur kann die Besichtigung des Museums wirklich empfohlen werden. Zum einen wegen der sehr interessanten und informativen geologischen/paläontologischen Ausstellung (der Museumsgeologe, Herr Georg STENSTROP, hilft gerne mit Informationen und bei Fossilbestimmungen). Dann auch wegen der archäologischen Sammlung, der Darstellungen der zeitgeschichtlichen Entwicklung der Insel Fur und schließlich wegen der kulturhistorischen Sammlung. Im Anschluss daran sollte man sich noch die Zeit nehmen und die Kirche in Nederby besuchen. Sie wurde im frühen 12. Jahrhun­dert im romanischen Stil erbaut und gehört zu den ältesten Dorfkirchen Dänemarks.

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In dieser Grabungsstelle wurden eisenzeitliche Fundstücke geborgen.
Foto: W. Claus

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Artefakte, wahrscheinlich aus der Altsteinzeit.
Schaber, Beile, Klingen, Bohrer, Kurzspeerspitzen u. a.
in der Mitte (aufgestellt) befindet sich ein Flintsteinkern,
von dem Klingen abgeschlagen wurden.
Foto u. Slg.: W. Claus

Literatur

BREINER, M., BRO-JORGENSEN, M., LINDEROTH, V.: Fur-Museum Afd. 1
BREINER, M.: Der Moler im Limfjord. In:Fur-Museum No. 1
NIEDZIOLKA, K. (1989): Mikropaläontologie IV. Diatomeen. FOSSILIEN 1989/1, S. 39—43
KOCH, L. (1986): Die Molerformation des Limfjords. FOSSILIEN 1986/2, S. 65-72
KRÜGER F. J.(1987): Flint-Seeigel-Stein­kerne aus dem nördl. Geschiebe. FOSSI­LIEN 1987/6, S. 258—263
LENNART-JAKOBSEN, S.(1991): Ein neues Gesetz schützt fossile Schätze in Dänemark. FOSSILIEN 1991/4, S. 215—220
SUNDSORE KOMMUNE (1983): Molerind­vinding pa Fur

Puplikation in „Fossilien“ 02/1993

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