Die Plattenkalke von Wattendorf
Wattendorf Grabung 2014
ein eindrucksvolles Erlebnis im Plattenkalk der nördlichen Frankenalb.
Das Naturkunde Museum Bamberg führte 2014 wieder eine mehrwöchige Grabungsaktion im Steinbruch bei Wattendorf durch. Unter Leitung von Herrn Dr. Matthias Mäuser wurde dabei ein nur 15 cm hohes Schichtpaket systematisch abgebaut und durchsucht. Dieser Schichtstoß ist Teil der anstehenden laminierten Plattenkalke des mittleren Oberkimmeridgium.
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Der Steinbruch bei Wattendorf
Andreas Schorr GmbH & Co. KG
Dolomit- und Kalkwerk
wird in 2. Generation von Helmut Schorr geleitet.
Die Produktpallette und Anwendungen unterscheiden sich sehr von anderen Anbietern der Region. Die Basis hierfür bilden die hochreinen Bankkalke (Wattendorfer Kalk) und der Dolomit im Liegenden des Aufschluss Areals. Neben den üblichen Einsatzgebieten in der Bauindustrie, Landschaftsbau und Landwirtschaft finden Produkte aus diesen Gesteinen auch Verwendung in der Rauchgasreinigung, in Gießereien, in der Zuckerindustrie, der Glasindustrie und zahlreichen anderen Produkten. Im südöstlichen Bereichs (Abb. 1) des riesigen Steinbruchgeländes werden die gebankteten „Wattendorfer Kalke“ abgebaut, während im nordwestlichen Areal (Abb. 2) das Dolomit-Gestein gewonnen wird.
Das Begehen des Steinbruchgeländes wird grundsätzlich, auch an Wochenenden, nicht gestattet.
Außerhalb der Grabungszeiten des Museums Bamberg, sind die Plattenkalke von einer dicken Schicht „Wattendorfer Kalke“ überdeckt. Die Suche nach Fossilien ist schon deshalb nicht möglich!
Abb. 1: Die gebankteten „Wattendorfer Kalke“ mit unserer Grabungsstelle. |
Abb. 2: Der Abbau im Riffdolomit mit der Verarbeitungsanlage. |
Die Entdeckung der Wattendorfer Plattenkalke.
Bereits 1863, bei der Kartierung des Gebietes um Wattendorf, beschrieb C.W. Gümbel dünne Platten dichten weißen Kalkes, die er aufgrund gelegentlichen Vorkommens von Krebsfossilien und der Ähnlichkeit mit den Solnhofener Plattenkalken zu den „Krebsscheerenkalken“ stellte.
Im September 2000 fand die 70. Jahrestagung der Paläontologischen Gesellschaft in Coburg statt. Die Route der Exkursion 6, von Wolfgang Schirmer (damals Abt. Geologie der HHU, Düsseldorf) geleitet und ausgearbeitet, führte unter anderem in den Steinbruch der Fa. Schorr bei Wattendorf . Im Exkursionsführer beschreibt er schon damals ein 1,35 m dickes Paket von Plattendolomit und dünnen Plattenkalksteinen, sog. Blätterflinz die er zur damaligen Zeit noch aus Mangel an geborgenen Fossilien in den Weißjura epsilon stellte.
Erst Thomas Bechmann, geowissenschaftlicher Präparator des Naturkundemuseums Bamberg, brachte 2002 „den Stein ins Rollen“, als er bei einem Sonntagsausflug, an anderer Stelle im Bruchareal, auf laminierte Plattenkalke (dolomitisierte Fazies) mit Fossilienresten von Krebsen und Fischen stieß. Nun wurde das Museum aktiv und nahm Kontakt mit dem Eigentümer des Steinbruchs auf, um die Erlaubnis für wissenschaftlichen Grabungen zu erhalten.
Bereits 2004 konnte dann schon mit der ersten Grabung begonnen werden die noch unter besonderen Vorzeichen ablief. Um eine statistische Auswertung der vorkommenden Organismen zu ermöglichen wurden alle gefunden Fossilien ins Grabungsbuch eingetragen (nicht alle wurden auch geborgen!). Bei den nachfolgenden Grabungen wurden dann nur noch sammlungswürdige und wissenschaftlich bedeutende Stücke geborgen und archiviert.
Die Abbauschicht.
Die gleichförmige Optik des Schichtverbandes (Abb.3) täuscht über die sehr unterschiedliche Festigkeit und Spaltbarkeit einzelner Abschnitte hinweg. Die unteren ca. 1.5cm bestehen aus wenig zementierten, fast mehligen Sedimenten, die darüber liegende gradierte Lage (ca. 3 cm) ist stark mineralisch gebunden und lässt sich kaum spalten. Im Hangenden folgen laminierte und gradierte Lagen, die sich meist gut in mm- bis cm-dicke Schichten spalten lassen. Diese Eigenschaften bleiben aber nicht flächig konstant, sondern können sich von Meter zu Meter ändern.
(Abb.4) Dr. Mäuser bei der Einweisung von Jule und Johanna in die Abbautechnik. Er kniet auf der oberen Ebene unseres Schichtpakets, die beiden Studentinnen stehen auf der unteren 1,5 cm Schicht. Diese wurde noch nicht abgebaut, weil auf der Oberfläche massenhaft Abdrücke der Flachmuschel Aulacomyella sp., meist als doppelklappige, abgestorbene Exemplare, erhalten sind. Wie war eine kurzzeitige Faunenexplosion möglich in einer sonst lebensfeindlichen Umgebung? Dr. Mäuser zeichnete die Umrisse der Muscheln (Abb.5) auf einer mehrere Quadratmeter großen Fläche nach um sie fotografisch, für spätere wissenschaftliche Untersuchungen, zu dokumentieren.
Abb. 3: Das ca. 15 cm hohe Schichtpaket aus dem die Fossilien geborgen wurden. |
Abb. 4: Die Einweisung in die Abbautechnik und wie Fossilien in/auf den Platten erkannt werden können. |
Abb. 5: Das markierte Massenvorkommen der Muschel Aulacomyella sp.. |
Die Altersbestimmung ermöglichte ein Leitfossil.
Die stratigraphische Zuordnung der Fundschichten ermöglichte das Vorkommen des Ammoniten
Aulacostephanus eudoxus.
Dieser Ammonit ist das Leitfossil des mittleren Oberkimmeridgium
(Malm delta 3+4 der Quenstedtschen Gliederung).
Die Wattendorfer Plattenkalke sind somit älter als die berühmten Solnhofener Plattenkalke und auch aller anderen Vorkommen Süddeutschlands.
Daraus ergibt sich die wissenschaftliche Bedeutung „unserer“ Funde, insbesondere, der von Wirbeltieren. Es handelt sich also oftmals um Vorgänger der gut erforschten Fauna aus den süddeutschen Plattenkalken.
Das bereits präparierte Wattendorf Material hat schon diverse neue Arten und sogar Gattungen geliefert.
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Die Grabungskampagne 2014.
Anlässlich eines Besuchs der historischen Altstadt von Bamberg im Juni 2013 stand unter anderem der Besuch des Naturkunde-Museums in der Fleischstraße 2 auf meiner Agenda. Die Sonderausstellung „Frankenland am Jurastrand“ beeindruckte mich derart, dass ich mich spontan entschied meine Mitarbeit bei der Grabung im kommenden Jahr anzubieten. Nach einem Gespräch mit Museumsmitarbeitern hinterließ ich meine Visiten-Karte mit der Bitte mich zu informieren wenn meine Mitarbeit gewünscht würde.
Im Frühjahr 2014 kam dann der Kontakt zu Dr. M. Mäuser zustande der mir die Möglichkeit eröffnete an der Grabung teilzunehmen und darüber zu berichten. Aus persönlichen Gründen konnte ich leider erst in der zweiten Woche an der diesjährigen Kampagne teilzunehmen.
Das Team, bestehend aus Mitarbeitern des Museums und langjährigen Freiwilligen, hatte das Grabungsareal schon vorbereitet als wir drei Neulinge (Jule, Johanna und ich) hinzustießen. Das Schichtpaket, dem das besondere Interesse galt, war schon großflächig freigelegt (unter zu Hilfenahme schweren Geräts aus dem Maschinenpark des Steinbruchs).
Wir Anfänger wurden zunächst durch Dr. Mäuser mit der Geologie des Steinbruchs vertraut gemacht (Abb.6). Dann erfolgte die Einweisung in die Abbautechnik. Die Schichten wurden auf einer Ebene großflächig mit Hammer und Flachmeißel abgebaut (Abb.8) und die abgehobenen Platten, wenn möglich, weiter aufgespalten. Dabei wurden die Schichtflächen und die Ränder der Platten (größere Fossilien zeichnen sich auch im Querbruch ab) nach aufliegenden oder eingeschlossenen Fossilien untersucht. Das Abraummaterial jedes Claims wurde an einer bestimmten Stelle im Umfeld abgelagert. Diese Maßnahme ermöglicht das Nachsuchen wenn ein nachfolgender Fossilfund unvollständig war, weil vorher Teile davon übersehen worden und schon im Abraum gelandet waren.
Das Grabungsfeld war zwar durch Zelte (Abb.7) überdacht die den anfänglich reichlich gefallenen Regen abhielten, die kalten Windböen aber ungehindert durchließen. So lernten wir Zeiten warmen Sonnenscheins intensiv zu genießen. Als Kontrast zu den kühlen Temperaturen der ersten Wochen, erlebten wir in den letzten beiden Wochen Temperaturen über 30° im Schatten die für einen sprunghaften Anstieg unseres Wasserverbrauchs führten.
Das Schichtpaket, das nur 15 cm hoch über das allgemeine Boden-Niveau aufragte, konnte man nur im Sitzen auf niedrigen Hockern oder auf Knien bearbeiten. Diese rückenmarternde Haltung wurde nur von Zeit zu Zeit durch den Transport des durchgeklopften Materials mit der Schubkarre zur „persönlichen“ Deponie unterbrochen. Erfreulicherweise gab es auch recht häufig die anderen, aufregenderen Unterbrechungen des Tagesablaufs. Immer wenn ein Stöhnen, ein Fluchen, ein freudiger Ausruf erklang, sprangen alle auf um zum Tatort zu eilen. Was war gefunden worden? Die erfahreneren Teilnehmer waren dann behilflich bei der Bewertung und gegebenenfalls auch bei der Bergung von seltenen und wertvollen Fossilien. Alle sammlungswürdigen Fundstücke wurden nach dem Bergen aller Einzelteile und der peripheren Platten eingemessen und durchnummeriert ins Grabungsbuch eingetragen. Dabei wurde auch festgehalten ob das Fossil auf der Schicht-Oberseite oder –Unterseite lag und auf welchem Niveau des Schichtpakets.
Abb. 6: Bei der Einweisung in die Geologie und Sedimentation des Aufschlusses. |
Abb. 7: Unser „Arbeitsplatz“ | Abb. 8: Die ca.2*2m große Abbaufläche eines „Claims“ |
Die Entstehung der Plattenkalke im Steinbruch Wattendorf.
Der ebene Schichthorizont unseres Abbauareals (Abb. 7) täuscht großräumige ruhige Sedimentation vor, was aber nicht der wahren Natur des Ablagerungsvorgangs entspricht. Schon in wenigen hundert Metern Entfernung kann man beim weiteren verfolgen des Plattenkalk-Horizonts, in den Abbauwänden, erkennen wie dieser in großen aufsteigenden und abfallenden Schwüngen einem strukturiertem Untergrund folgt. Wie bei den süddeutschen Lagerstätten um Eichstätt, Solnhofen usw. finden wir auch im Raum Wattendorf ein versteinertes Schwammriff aus der Oberjurazeit. Entstanden ist diese unterseeische Riff-Landschaft mit Höhen und Senken, im warmen Flachmeer auf dem Schelfsockel des zerfallenden Riesenkontinents Pangäa. Eine Reduzierung der Meeres-Überdeckung (evtl. durch tektonische Einflüsse im Zusammenhang mit der ersten Frankenalb-Landzeit oder auch anderen Ursachen) konnte die „Barriere-Funktion“ von Schwellen bewirken, die in tieferen Wasserschichten von größeren Mulden ein anaeroben Milieu erzeugen konnte (übersalzen und sauerstoffarm). Die Voraussetzungen für die Ablagerung von laminierten Plattenkalken waren damit gegeben. Keine bodenlebenden Organismen durchmischen die abgelagerten Sedimentschichten . Keine Aasfresser konnten die „Leichen“ fressen, die aus den oberen, belebten Wasserschichten auf den Boden sanken. Eine optimale Fossilerhaltung war gegeben wenn der nächste Sedimentations-Schub ein Leichentuch darüber deckte.
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Neu-Funde 2014:
Abgebildet wird hier nur ein kleiner Teil der neugefundenen Fossilien im Fundzustand bzw. in Fundsituation. Zum einen weil ich nicht über die komplette Zeitspanne mitarbeiten konnte und zum anderen aus Platzgründen. Gefunden und geborgen wurden über den gesamten Grabungszeitraum mehrere Hundert Fossilien! Viele der Funde gaben auf der Spaltebene nur einem kleinen Körper-Abschnitt frei oder waren nur im Querbruch zu erkennen und sind deshalb unpräpariert nicht sonderlich fotogen.
Nicht jedes geborgene Fossil wird wegen der hohen Kosten präpariert werden können. Die Auswahl der Objekte erfolgt nach wissenschaftlichen Kriterien.
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Verschiedene Kebse, in der Mitte der der Schwimmkrebs Dusa monocera:
Reguläre Seeigel-Gehäuse mit anhängendem „Stachelkleid“:
Eingeschwemmte Pflanzenreste:
Fische:
durch eine konturfolgende Dentridenspur markierter ca. 15cm großer Fisch. |
Tharsis sp. in Fundsituation. Der Fisch ist vermutlich durch einen Angreifer in 2 Teile zerbissen worden. |
der Winkel zwischen Kopf und Körper läßt auch bei diesem Fisch auf einen Tod durch Feindangriff schließen. |
Ein beschuppter, noch unbekannter Fisch. | Thiollierepycnodus wagneri ca. 24 cm auf der hangenden Platte. |
Thiollierepycnodus wagneri die zugehörige liegende Platte. |
Die Funde von Engelhaien sind wahrscheinlich zu Pseudorhina sp. zu stellen:
Besondere Funde:
Der Abdruck in der Unterplatte, wahrscheinlich von einer Brückenechse. Die aufliegenden Plättchen mit der Knochensubstanz sind bereits abgetragen und gesichert. |
Etwa 30 cm vom Schwanz eines Krokodils sind aufgedeckt. Setzt sich das Fossil in den Schichtstoß fort? |
Dr. Mäuser auf der Suche nach den Anschlußplatten. |
Zur allgemeinen Enttäuschung setzte sich der Krokodilschwanz leider nicht im Schichtpaket weiter fort. Doch schon kurze Zeit später wurde an einer ca. 7m entfernten Grabungsstelle wieder ein Krokodil gefunden! Wie sich bei der Bergung herausstellte fehlte hier der Schwanz. Es ist zu hoffen, dass beide Teile zusammengehören, was dann evtl. auch den Nachweis ermöglichen würde, dass der Tod des Tieres durch einen noch größeren Angreifer verursacht wurde.
In einer Schichtebene kamen Knochen der Wirbelsäule zum Vorschein. |
Das Puzzle aus den Platten, mit dem eingebetteten Krokodil während der Bergung, aufgebaut auf 2 Schaltafeln. |
Wie wichtig die Grabungen für die Sicherung dieser einzigartigen Fossilien sind, konnten wir in der dritten Grabungswoche live erleben. Schon am Vormittag war ein Bohrgerät ca. 200 Meter von unserer Grabungsstelle in Aktion getreten. Nach der Mittagspause mussten wir das Areal verlassen und weitere 200m entfernt hinter der Schaufel eines Radladers in Deckung gehen. Dann ertönte das Horn und mit einem ordentlichen „Rums“ gingen etwa 100cbm Wattendorfer Kalke mit Riffschuttbänken und Plattenkalken in die Luft. Wieder waren viele qm fossilreicher Schichten für die Wissenschaft verloren gegangen.
Das Naturkunde-Museum Bamberg
Fleischstr. 2,
96047 Bamberg
www.naturkundemuseum-bamberg.de
Die Sonderausstellung „Frankenland am Jurastrand“ wird mit diesen Ausstellungsstücken nur noch bis zum Ende 2014 zu sehen sein. Jedem paläontologisch/geologisch Interessierten kann deshalb nur ausdrücklich empfohlen werden sich die einzigartigen Exponate noch vor dem Ausstellungsende anzusehen! Besonders empfehlen möchte ich an dieser Stelle noch die 2. überarbeitete Broschüre gleichen Namens mit einer großen Informationsfülle und großartigen Bildern auf 60 Seiten.
Wegen der besonders aufwendigen und schwierigen Präparation der einzigartigen Plattenkalk-Fossilien werden auch in Zukunft Sponsoren gesucht die die Patenschaft für einzelne Objekte übernehmen!
Der Blick in die Sonderaustellung:
c-cfk 06.2014
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